F e r n w e h-Pur... Reportage

Die Faszination Ayers Rock

Zusatzberichte:
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Immer im Einsatz: Der „Royal flying Doctor Service of Australia“
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"The Alice" und die Aboriginal Communities im Northern Territory

Es ist eine Faszination. Sie fahren Hunderte von Kilometern durch das weite, verlassene Outback Australiens. Dabei wollen sie nur ihn sehen: den heiligen Stein der Aborigines. Die Faszination Ayers Rock oder „Uluru“ (wie er in der Sprache der australischen Ureinwohner heißt) zieht täglich Tausende von Besuchern an. Wenn die Oper in Sydney das Sinnbild für das kosmopolitische Australien ist, dann steht der Uluru für das Outback. Es gibt kaum eine Touristenbroschüre oder einen Reiseführer, der nicht mindestens ein Foto des größten Inselbergs der Welt zeigt. Der Ayers Rock übt eine enorme Anziehungskraft aus, mitten im einsamen Outback Australiens.

IchDer Ayers Rock versuche dieser Faszination auf die Spur zu kommen. Auf dem Weg zum Uluru genieße ich die Weite und die Einsamkeit des „Hinterlandes“, lege Kilometer um Kilometer

auf rotem Sand zurück. Der unerfahrene Down Under-Besucher könnte bei der ersten bizarren Steinformation glatt ins Schwärmen geraten und denken, er sei bereits am Ayers Rock angekommen. Aber, es ist „nur“ der Mount Connor, der durch seine starre Präsenz im endlosen Outback zu begeistern weis. Leider erfährt der mächtige Stein in den Reiseführern meist gar keine oder nur eine nebensächliche Erwähnung.

Einige Kilometer weiter ist endlich der langersehnte Moment gekommen und der Monolith ragt in einem matten orange vor mir in den weiten Horizont. Seine Maße sind mit 348 Meter Höhe, über drei Kilometern Länge und knapp zwei Kilometern Breite beeindruckend. Der Weg einmal

um den Ayers Rock herum ist 9,4 Kilometer lang. Zahlen und Fakten, die zu begeistern wissen. Ist dies also die Faszination „Ayers Rock“, für die ich in die rote Mitte Australiens gefahren bin?

Vielleicht liegt es auch an der Geschichte des Ayers Rock. Der europäisch geprägte Name stammt von William Gosse. Er entdeckte den Monolith im Jahre 1873 und benannte ihn nach dem Gouverneur von South Australia, Henry Ayers. Das Alter des grauen Arkosesandsteins, der seine Farbe durch die Oxidation von eisenhaltigem Gesteinsteilen erhält, wird auf ca. 600 Millionen Jahre geschätzt. Als die Mala-Ahnen am Uluru ankamen, liefen sie auf ihren Wegen quer hinauf über den Stein. Aus Ehrfurcht vor ihren Vorfahren und der geistlichen Bedeutung besteigen die Ananyu-Ureinwohner den ihnen heiligen Berg fast nie. Also auch eine geschichtliche Faszination, die bis heute andauert.

Sonnenuntergang am Ayers RockViele Besucher, die der gegenwärtigen Einmaligkeit des Ayers Rock auf die Spur kommen wollen, möchten den Berg auf eigene Faust besteigen. Die Ananyu bitten die Besucher zwar, ihren Uluru mit Respekt zu behandeln und möglichst auf den Aufstieg zu verzichten. Dass dennoch viele der rund 340.000 Touristen, die alljährlich die rote Mitte besuchen, den Ayers Rock erklimmen, wissen die Aboriginals zu akzeptieren. Der Weg auf den größten freistehenden Stein der Welt ist dabei nicht ungefährlich. Auf Grund der teilweise hohen Temperaturen (bis zu 50°C) und daraus resultierenden Erkrankungen wie Herzinfarkt, Hitzestich sind bisher 25 Menschen ums Leben gekommen. Ab einer Temperatur von 36° C wird deshalb der Fußpfad auf den Ayers Rock gesperrt. Wer dennoch einen Schwächeanfall auf dem Uluru erleidet, kann auf den Einsatz eines Ärzteteams vertrauen, das bei Notfällen eingreift. Überhaupt muss niemand im einsamen Outback des Northern Territory auf medizinische Hilfe verzichten. Der „Royal flying Doctor Service of Australia“ ist auf dem gesamten Kontinent im Einsatz.

Wer nicht die Dienste der „fliegenden Ärzte“ in Anspruch nehmen und dennoch den Uluru nicht aus der Ferne betrachten möchte, sollte ausreichend Getränkevorräte sowie festes Schuhwerk dabei haben. Auf dem Weg zum Gipfel des Ayers Rock treffe ich Schweizer Bergsteiger, für die der Ayers Rock keine große Anstrengung bedeutet und die ihre Videokamera lässig über der Schulter tragen oder eine Gruppe von Japanern, die auf dem Der Aufstieg am Ayers Rockhöchsten Gipfel faszinierte Grüße in die Heimat „I climbed the Ayers Rock“ verschicken. Alle, die die Bedenken und Bitten der Aboriginals befolgt haben, können unweit des heiligen Steins ein T-Shirt mit der Aufschrift „I didn’t climb the Rock“ kaufen. Obwohl man den Vorschriften der Ananyu Folge leisten und beispielsweise keine Felszeichnungen oder rituellen Orte fotographieren sollte, ist der Aufstieg auf den Uluru kein wirkliches Vergehen in der Rechtssprechung der Aboriginals. Man kann den heiligen Stein besteigen und sollte sich dabei der Kultur der australischen Aboriginals und ihrer Vorfahren sowie der Faszination bewusst sein. Mittlerweile hat sich die Farbe des Ayers Rock von einem matten rot zu einem leichten weinrot verändert. Ist dies auch Teil der Faszination Ayers Rock?

„Wir heißen Sie herzlich willkommen auf Aboriginal Land. Schauen Sie sich um, damit Sie etwas über Aboriginals lernen und auch verstehen, dass die Kultur der Aboriginals stark ist und lebt.“ Mit diesen Worten werden die Besucher im „Cultural Center“ des Uluru-Kata Tjuta National Parks, der einige Kilometer vom Ayers Rock entfernt liegt, begrüßt. Seit 1985 wird der Nationalpark sowohl vom National Park Service als auch von den traditionellen „Ananyu“-Einwohnern verwaltet, die das Land schätzungsweise rund 22.000 Jahre bewohnt haben. Diese Kompetenzverteilung war eine bedeutende Entscheidung in dem Kampf der Aborigines um ihre Landrechte und hat auch in den übrigen Teilen Australiens zu einer Verbesserung der Situation der Ureinwohner geführt. Die Faszination Ayers Rock – ein Berg, der das Leben der Ureinwohner verändert hat. Dass neben der Darstellung der Aborigine Kunst auch Souvernirs verkauft werden, mag genauso wie die Nationalparksgebühr auf einen gesteigerten Geschäftssinn der Ureinwohner hindeuten. Es wird deutlich, welchen Einfluss die materiell geprägte Welt der Weißen trotz Aufrechterhaltung ihrer Tradition und Kultur hier auf die Aborigines hat.

Inmitten einer „weißen Welt“ finden sich die Besucher im „Ayers Rock Resort“ wieder. Dieses kreisförmig angelegte Ferienzentrum, in dem es von Unterkünften, Restaurants, Bars, Bottle Shops über Polizei, Bücherei, Supermärkten auch eine Sternwarte gibt, wurde 1982 von dem australischen Architekten Philip Cox für 160 Millionen Dollar entworfen und gebaut. Mit seinen großzügig ausgerichteten weißen Segeln soll es den Besuchern Schatten gegen die brennende Sonne Australiens bieten. Zur Versorgung wurde die größte Wasserentsalzungsanlage der Welt im Resort angelegt. In den frühen Morgen- und Abendstunden sind sich die Touristen, ob sie im unkomfortablen Youth Hostel oder im Fünf-Sterne-Hotel nächtigen, allerdings einig: Sie pilgern zu den ausgewiesenen „Sunset Viewing Areas“, von denen aus man die schönsten Sonnenschauspiele über dem Ayers Rock beobachten kann. Auch ich beende diesen Tag in dieser wunderschönen Kulisse. Der bekannteste Stein der Welt fasziniert und hat wiederum seinen Farbton verändert. Nach einem matten orange in den frühen Morgenstunden über eine mittägliche weinrote Nuance leuchtet der Uluru in einem prächtigen, knalligen Rot. Zum Sonnenuntergang zeigt der Ayers Rock seine enorme Ausstrahlung und ein beeindruckendes Farbenspiel, das sich fast minütlich ändert.

Die Olgas aus der FerneAm nächsten Morgen wird es ruhig. Nur knapp vier Kilometer vom Uluru entfernt, können die Besucher ohne Touristenbusse und hektischen Rummel eine andere Felsformation bewundern: Die „Olgas“ oder „Kata Tjuta“. In der Aboriginal Sprache bedeutet „Kata Tjuta“ viele Gesichter, was wahrscheinlich auf die 36 einzelnen Kuppeln zurückzuführen ist. Viele Kata Tjuta-Anhänger sind dem Ayers Rock dankbar, da er die Touristen von den noch beeindruckenderen einzelnen Formationen fernhalte. Die Olgas erstrecken sich über 36 Kilometer und sind 546 Meter hoch. Es gibt viele „Walking Trails“, die rings um den Kata Tjuta führen und die Kulturstätten der Ureinwohner für die Besucher öffnen. Eine beeindruckende Kulisse, die hier geboten wird. Den Ayers Rock wird man auch hier auf Grund seiner spürbaren Nähe nicht aus dem Augenwinkel verlieDie Olgasren können. Heute mittag erscheint er in einem leuchtenden rot.

Auf dem Weg zum einige Kilometer entfernten Kings Canyon, dem zweitgrößten Canyon der Welt, schaue ich dem Ayers Rock noch lange Zeit nach. Er erscheint matter als heute morgen und verschwindet mit seinen faszinierenden Formationen langsam im weiten Outback der Mitte Australiens. Ich habe die Faszination Uluru kennengelernt. Sie präsentiert sich in einem immer anderen, überraschenden Erscheinungsbild mit beeindruckender Geschichte.

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© 2002 - 2003 by Stefan Brixner, Hamburg, Deutschland